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Paititi — Die endgültige Definition: Eine Stadt oder ein Königreich?

Inka-Straßensystem
Zum Vergrößern klicken: Inca Straßensystem von Manco Capac, lizenziert unter CC BY-SA 3.0 / Vom Original abgeschnitten

Eine gute Frage mit jeder möglichen schlechten Antwort. Um mit diesem Problem zu beginnen, stellen wir uns vor, wie das Imperium der Inkas funktionierte, bevor die Spanier auftauchten: Das Herz des Imperiums war Cusco, das Zentrum von allem wichtigen, die Hauptstadt von Tawantisuyu. Cusco war durch ein perfektes Strassennetz mit jeder Ecke des Reiches verbunden.

Soweit wir wissen, hatte dieses Strassennetz alle paar Kilometer eine Art „Versorgungsstation“ namens „Tambos“ und wurde von Läufern bedient, die die Nachrichten und Waren von einem Punkt zu einem anderen brachten. Diese „Versorgungsstationen“/ Rastplätze dienten zum Ausruhe und als ein Ausgangspunkt für einen anderen Läufer. Und so hatte ein Herrscher des Reiches der Inkas in kurzer Zeit die Möglichkeit, zum Frühstück einen frischen Fisch aus dem Pazifischen Ozean zu erhalten oder Informationen über die wirtschaftliche Situation einer weit abgelegenen Region zu bekommen… mittels einem Quipu-System — eine Art von Knoten — ein Rätsel-System… welches bis jetzt nicht gelöst wurde.

Was passierte mit dem Imperium der Inkas, nachdem Pizarro sie erobert hatte?

Wie wir wissen, wurde die neue Hauptstadt gegründet — Vilcabamba. Und hier können wir schon fragen — war es eine Stadt oder ein Königreich? Können wir eine ähnliche historische Situation finden?

Vielleicht werden wir eine einzigartige Herangehensweise an diese Frage vorschlagen, mit nicht identischen aber ähnlichen Ausgangspunkten: wenn wir nur die Geschichte des 2. Weltkriegs betrachten, woran sich allenfals einige unserer Verwandten noch erinnern können- was ist geschehen, nachdem Deutschland die Sowjetunion angegriffen hat? Stalin — der Herrscher dieses Landes hatte befohlen, alle bedeutenden Industriebetriebe über den Ural hinaus zu verlegen. Die westlichen Teile des Landes wurden von Nazis besiegt, aber das Land selbst hatte seinen Herrscher und sein Territorium.

Wir sind uns bewusst, dass dies nur ein sehr einfacher Vergleich ist — wir wissen, dass es keine identischen Situationen gibt, die zweimal vorkommen und insbesondere nicht mit solchen geografischen und historischen Unterschieden. Aber wir können immer noch sagen — und wir können uns sicher sein: Vilcabamba war eine unabhängige Stadt, es war in der Lage, seinen Bürgern alle grundlegenden landwirtschaftlichen Produkte zu liefern, es hatte seinen Herrscher, also… Die Schlussfolgerung ist, dass es ein Königreich in der gleichen Zeit war…

Wie sollten wir eine Definition eines Königreichs schaffen?

Sagen wir:

  1. Es muss einen König haben
  2. Es muss ein Haupstadt haben
Vilcabamba as seen today
Vilcabamba aus heutiger Sicht. Quelle: „Espiritu Pampa Archäologische Stätte (überwachsenes Haus)“ von AgainErick, 2007, lizenziert unter CC BY-SA 3.0 / Vom Original abgeschnitten

Vilcabamba hatte beide und Paititi? Wir werden es wahrscheinlich nie erfahren, denn es gibt keine geschriebene Geschichte von den Inkas… Wir können nur vermuten, dass Paititi nicht mehr existierte, als die Revolution von Tupac Amaru II (1780-1783) in Peru stattfand [1]. Soweit wir wissen, waren alle Verbindungen zu diesen entlegenen Orten in Antisuyo zu dieser Zeit unterbrochen… Oder ist es eine falsche Schätzung? [2] Lassen Sie uns gleich schauen.

Zurück in die Geschichte des 2. Weltkriegs, um auf einige Gemeinsamkeiten hinzuweisen: Die Tschechoslowakei hatte eine Exilregierung in Großbritannien, nennen wir sie für unsere Zwecke „Paititi“. Diese Regierung hatte die Unterstützung der Mehrheit der tschechoslowakischen Bürger, aber aufgrund des Ergebnisses des Zweiten Weltkrieges und der Abkommen zwischen den Grossmächten, hatte diese Regierung nur einen theoretischen Einfluss auf die Probleme nach dem Krieg.

Könnte Paititi irgendeinen Einfluss auf die Probleme haben, die sich auf erobertem Gebiet ereigneten, auf dem Gebiet, welcher den neuen Gesetzen, Regeln von Pizarro usw. ausgesetzt war? Abgesehen von organisierten Guerilla-Angriffen?

Wir vermuten nicht…

Aber lassen Sie uns wieder zurück nach Peru kommen und zu seiner turbulenten Geschichte. Bei einem kurzen Blick auf Ngrams, die die Häufigkeit der Schlüsselwörter „El Dorado“ und „Paititi“ in der spanischen Schriften A.D.1500-2000 vergleichen, haben wir gerade eine interessante Diskrepanz zwischen ihren Spitzenpunkten festgestellt.

Ngram-Vergleich von „El Dorado“ und „Paititi“. Quelle: Google Ngram Viewer

Während „El Dorado“ in den frühen Stadien der spanischen Conquista in Peru ihren Höhepunkt erreichte, erlebte „Paititi“, viel später, einen ähnlichen Fortschritt, nämlich in den Jahren kurz vor dem Aufstand von Tupac Amaru II. Wir wollen nicht versuchen, eine Verbindung zwischen Tupac Amaru II und Paititi herzustellen — wir erwarten nicht, dass zwischen dem Gebiet von Paititi und dem Gebiet der Aufstandsbewegung eine Verbindung bestand. Wie ist es also möglich, dass „Paititi“ genau zu dieser Zeit so blitzschnell ans Tageslicht kam?

Eine mögliche Erklärung für dieses Phänomen liegt vielleicht in der Struktur und Organisation des spanischen Kolonialsystems in Peru. Die Reformen von Francisco Alvarez de Toledo, der 1568 Vizekönig von Peru wurde, übernahm bestimmte Elemente des Imperiums der Inkas in das spanische Kolonialsystem. Toledo teilte das von Spaniern beherrschte Gebiet in 614 Verwaltungsbezirke ein, die Repartimientos genannt wurden. Jedes Repartimiento wurde von einem Kuraka [3] angeführt.

Kurakas waren privilegierte, steuerzahlfreie Männer, welche manchmal mit den königlichen Inka-Abkömmlingen verheiratet waren [4]. Sie hatten Zugang zu Bildung (dies war der Fall von Tupaq Amaru II, der ein Sohn eines Kurakas war) und einige von ihnen konnten, aufgrund von Mischehen mit Inka-Adel vielleicht auch zu geheimen Informationen kommen… Stellen wir uns nun das alltägliche Leben der Studenten im Peru des 18. Jahrhunderts vor, als das System der Kurakas perfekt lief. Während des Plauderns auf einem Schulhof versuchten beide Gruppen von Schülern — sowohl Spanier als auch solche aus Kurakas stammende — sich gegenseitig zu beeindrucken, und vielleicht auf diese Weise sickerten einige geheime Informationen über Paititi durch und fanden ihren Weg in die Literatur zum Beispiel als ehemalige Studenten Schriftsteller geworden sind?

Uns ist bewusst, dass dies reine Spekulation ist, aber sicher nicht eine unmögliche. Wer weiss, vielleicht würden wir heute viel mehr über dieses Thema wissen, wenn die Spanier dieses System nicht abgeschaft hätten und nicht alle Mitglieder des Adels der Inka und ihre Nachkommen vernichtet hätten, nachdem sie den Aufstand von Tupac Amaru II unterdrückten.

Ungefähr zur gleichen Zeit, als Toledo mit der Umsetzung seiner Reformen begann, war das Königreich Vilcabamba aufgrund seiner Grösse und Macht bereits nur eine Art von Tumor auf der neuen etablierten spanischen Dominanz in der Neuen Welt. Und diesen (nicht) bösartigen Tumor konnten die Spanier abschneiden. Aber was nachher geschah?

Túpac Amaru, der letzte Inka von Vilcabamba
Tupac Amaru. Quelle: „Túpac Amaru, der letzte Inka von Vilcabamba“ von unbekannten Künstler, 18. Jahrhundert

Die Bewohner von Vilcabamba entkamen vor Ankunft der spanischen Truppen und sie setzten die Stadt in Flammen. Der letzte Inka — Tupac Amaru (1545-1572) entkam als letzter nach Rio Urubamba hinunter nach Amazon… Zusammen mit seiner schwangeren Frau und engsten Gefolgsleuten wandten sie sich an die rechte Seite von Rio Urubamba und wir wissen iren genaue Ankunftspunkt nicht, war es wahrscheinlich dort wo Rio Timpia auf Rio Urubamba trifft…? Wir können nur raten… Aber dieser Punkt währe sinnvoll. Tupac Amaru konnte ev. einem Weg entlang dem Rio Timpia folgen, der nach Greg Deyermenjian bis heute besteht [5] bis zu den allerersten Zufluchtsstätten, die zum Königreich der Inkas gehörten. Es wäre die einzige logische Erklärung, warum er an den Ufern des Rio Urubamba landete, im Bewusstsein, dass ihm Spanier gefolgt waren.

Possible route of Tupac Amaru's escape from the Spaniards
Zum Vergrößern klicken: Mögliche Route von Tupac Amaru Flucht vor den Spaniern. Grundkarte: © OpenStreetMap contributors

Historische Aufzeichnungen versuchen uns zu überreden, dass Tupac Amaru eine Zuflucht beim Stamm der Manaries (heute Machiguengas) suchte, den Verbündeten der Inkas [6]. Aber wir finden diese Behauptung etwas unlogisch. Wie kann es die Tatsache erklären, dass Inka Tupac Amaru praktisch allein war, als Martin Garcia de Loyola und seine 40 Männer ihn gefangen nahmen? Wo waren zu jener Zeit die Krieger des Stammes der Machiguengas (Manaries), während Loyola auf seiner Jagd nach Inka Tupac Amaru tatsächlich von einigen Mitgliedern dieses Stammes geführt wurde? Hatte Tupac Amaru wirklich einen Unterschlupf bei Machiguengas gesucht, die zu dieser Zeit vielleicht nicht mehr so ​​enge Verbündete waren oder nur auf seinem Weg nach Paititi ihr Territorium durchquerren wollte?

Die Geschichte hat immer einen eigenen Umgang mit jedem Fall, scheint aber zumindest in fast allen Fällen berühmter Fluchtfälle sehr ähnlich zu sein. Die Flüchtige befinden sich meistens hinter dem „höchsten Punkt“ ihres Schicksalsrades. Sie haben immer weniger Bewunderer und gleichzeitig haben sie immer mehr Feinde. Auf seinem Weg nach Paititi musste Tupac Amaru Territorien an vielen potenziellen neuen Feinden passieren — Verbündete zu der Zeit, da er seine ganze Macht hatte und Feinde, als seine Macht vorbei war… Oder nennen wir es so: Die Zeit verändert sich und unsere Präferenzen (und Präferenzen unserer Verbündeten und Feinde) auch — c’est la vie.


Verweise

  1. Tupac Amaru — Tupac Amaru II. Tupac Amaru (1545-1572) war der letzte Inka — der letzte Herrscher des Königreichs Tawantisuyu. Tupac Amaru II (1738-1781) war ein Spitzname des Anführers der Revolution gegen Spanier im 18. Jahrhundert: der Eigenname war Jose Gabriel Condorcanqui, aber er nahm diesen Spitznamen, um auf seine Nachkommen von Incas Ursprung als der Führer der Revolution gegen Spanier zu verweisen. Es gibt eine Verbindung in der weiblichen Linie zwischen diesen beiden Tupacs: „Es ist auch angenehm zu wissen, dass die beiden kleinen Töchter von Tupac Amaru I., Juana und Magdalena, bis zu seinem Tod 1575 bei Dr. Geronimo de Loaysa, Erzbischof von Lima, Zuflucht fanden. Später heiratete Juana den Curaca von Surimani und Tungasuca (in der Nähe von Sicuani und nicht weit von Cuzco), mit dem Namen Condorcanqui. Von ihr stammte Jose Gabriel Condorcanqui oder Tupac Amaru II“ (The Rebellion of Tupac-Amaru II, 1780-1781. Abgerufen von https://archive.org/stream/jstor-2505747/2505747#page/n7/mode/2up)
  2. Unseren Vermutungen widersprechen könnte die Existenz des Entwurfs eines Edikts, das unter den Papieren von Tupac Amaru II gefunden wurde. Es ist jedoch möglich, dass dieses von den Spaniern gefälscht wurde, um schriftliche Beweise gegen Tupac Amaru II zu liefern, die ihn belasten. In diesem Dokument nennt er sich „Don José I., durch die Gnade Gottes, Inka, König von Peru, Quito, Chile, Buenos Ayres, und die Kontinente der Südsee, Herr des Flusses der Amazonen, mit Herrschaft über Grand Paytiti“ (MARKHAM, Clements R. Travels in India and Peru. London: John Murray, Albemarle Street, 1862, S. 149-150)
  3. Toledo Reforms, Wikipedia, zuletzt bearbeitet 11.08.2015. Abgerufen von https://en.wikipedia.org/wiki/Toledo_Reforms
  4. Kuraka, Wikipedia, zuletzt bearbeitet 23.01.2018. Abgerufen von https://en.wikipedia.org/wiki/Kuraka
  5. DEYERMENJIAN, Gregory. Discovery of Inca ruins at the headwaters of the Río Timpía. Athena Review, 1999. Abgerufen von http://www.athenapub.com/timpia1.htm
  6. MACQARRIE, Kim. The Last Days of The Incas. New York: Simon & Schuster Paperbacks, 2007. ISBN 978-0-7432—6049-7, p. 371-373